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Der Alltag junger Frauen

  • Autorenbild: Olga
    Olga
  • 28. Juli 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 3. Nov. 2023


Weiße, graue und schwarze T-Shirts hängen nebeneinander. Ein minimalistischer Kleiderschrank.

Ich bin eine junge Frau. Ich bin zwischen Mädchenzeitschriften und Shopping-Touren aufgewachsen: Zeitschriften, von denen mir fragwürdig dünne und leicht bekleidete Frauen entgegenlächelten und mir zu erklären versuchten, wie ich mich beim ersten Date mit meinem Schwarm zu kleiden hätte. Shopping-Touren mit einem Bulk von Freundinnen, im Zug zum nächsten Primark und mit der Erwartung eine Tüte voller Kleidung nach Hause zu bringen, die kaum zu tragen war. Ich stand in der Schlange vor dem neu eröffneten Abercrombie Store. Ich habe mich im grellen Licht der Umkleidekabinen bei H&M gehasst, weil alles an mir so unförmig aussah. Ich habe Teile gekauft, die ich im dunklen, schummrigen Licht bei Hollister kaum erkennen konnte. Nur um dann zu Hause festzustellen, dass sie eine ganz schön grelle Farbe haben und meiner Figur eigentlich gar nicht so gut schmeicheln. Ich habe Shirts getragen, die deutlich zu kurz waren, die zwickten und die ich ständig herunterziehen musste, damit sie irgendwie meinen Bauch und Rücken verdecken. Ich habe mich hinter verrückten und nicht zu identifizierenden Mustern versteckt, weil andere sagten, man sei "ein graues Mäuschen", wenn man nur Schwarz trägt. Ich habe gelernt, dass 52 Mal im Jahr eine neue Saison beginnt und dass die Teile in meinem Kleiderschrank eigentlich schon in dem Moment veraltet sind, wenn ich sie das erste Mal in den Wäschekorb lege. Ich habe vor völlig überfüllten Altkleidercontainern gestanden und mich beim nächsten Mal gewundert, wenn sie erneut genauso voll waren und ich meine Fehlkäufe wieder nicht losgeworden bin. Als junge Frau bin ich aufgewachsen mit dem ständigen Streben nach dem neusten und hippsten Trend. Die Kleidung hat bestimmt, wie ich mich selbst wahrnehme – ob ich meinen Körper mag und ob ich mich dazugehörig fühlte. Kleidung, Trends und Konsum haben mein Leben bestimmt.


Heute hat sich vieles für mich verändert. Ich habe meinen Kleiderschrank komplett auf den Kopf gestellt. Ich habe all die Teile, die durch einen Reizkauf, einen Trend oder eine Meinung aus dem Außen den Weg in mein Leben gefunden haben, losgelassen. Ich habe sie verkauft, verschenkt, gespendet, entsorgt. Übrig geblieben sind nur die Teile, die ich wirklich liebe. Auf die ich mich beim Anziehen nach der morgendlichen Dusche bereits freue. Teile die weich, bequem und gemütlich sind und die mir bedingungslos passen. Ich habe mich getraut, mich von Shopping-Touren zu lösen. In einem Einkaufszentrum war ich seit Jahren nicht mehr. Das hat zu Verwunderung bei einigen meiner Freundinnen geführt und auch dazu, dass wir plötzlich weniger hatten, das uns verbindet und unsere Freundschaft ausmacht. Ich habe auf der anderen Seite jedoch so viel mehr Zeit für die Dinge dazu gewonnen, die mir Spaß machen und die ich gerne tue. Und es sind neue Menschen in mein Leben getreten, die ihre Zeit und ihren Umgang mit Konsum ähnlich bewusst gestalten und lieber über große und schöne Ideen sprechen als über „das süße Top mit dem Blumenmuster“.


Meinen Kleiderschrank habe ich heute nach dem Prinzip der "Capsule Wardrobe" ausgerichtet. Dieser Ansatz folgt ein paar wenigen und einfachen Regeln, die jedoch einen enormen Effekt haben:

  • Ich besitze nur eine geringe Anzahl an Kleidungsstücken – genau das, was ich wirklich brauche und trage

  • Die Kleidungsstücke sind zeitlos und folgen keinem kurzlebigen Trend – hauptsächlich Basics

  • Die Farben sind gedeckt und gut kombinierbar – Weiß, Grau, Schwarz, Dunkelblau

  • Qualität bestimmt meine Kaufentscheidungen – gut für die Umwelt und langfristig auch für meinen Geldbeutel, weil ich die Kleidung lange behalte

  • vor jedem Kauf überlege ich, ob ich das Teil wirklich brauche und auch tragen werde

Man könnte sagen, dass es eine Frage des Alters ist, dass Frauen oder Menschen generell mit zunehmender Reife einen eigenen Stil entwickeln und sich weniger von Trends und Einflüssen aus dem Außen lenken lassen. Und dennoch erlebe ich noch immer so viele Frauen um mich herum, die mir von langen Samstagen in Einkaufszentren erzählen. Shopping-Touren, die frustrierend anstrengend sind und dennoch nicht hinterfragt werden. Reizkäufe, die schnell bereut werden. Süße Boutiquen, in denen man nur so rumschauen möchte und sich hinterher wundert, dass der Kontostand gefährlich niedrige Zahlen anzeigt.


Vielleicht ist es für uns alle an der Zeit, Bekanntes zu hinterfragen, die ganzen Zeitschriften wegzulegen und den Drang danach, Neues zu kaufen und zu besitzen, loszulassen. Vielleicht ist unsere Gesellschaft bereit dazu, dass wir jungen Mädchen nicht mehr beibringen, dass sie beim ersten Date hübsch auszusehen haben, sondern dass wir mit ihnen über gute Bücher diskutieren oder über ihre eigenen Ideen und Visionen für die Zukunft. Vielleicht können wir dann zukünftig vermeiden, dass junge Frauen einen Großteil ihres Lebens darüber nachdenken, wie sie gerade aussehen. Vielleicht erkennen dann noch viel mehr von uns, dass unser Leben auch ohne diese ganzen Dinge schön und erfüllt ist.


Manchmal erwische auch ich mich noch dabei, wie ich vor dem Spiegel stehe und denke, dass ich doch so nicht vor die Tür gehen könne, weil ich nicht die neuen Sommerschuhe habe, die gerade alle Frauen tragen. In solchen Momenten schenke ich mir ein kurzes Lächeln, schüttle den Kopf und verlasse das Haus so wie ich bin – wertvoll und liebenswürdig um meiner selbst willen und nicht wegen der Kleidung, in die ich meinen Körper hülle.


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